Die turbulenten Zeiten sind jetzt erst einmal wieder vorbei. Zumindest im November gilt jetzt, soziale Kontakte wieder herunterzufahren und viel Zeit Zuhause zu verbringen. Wenn wir es dafür aber gemeinsam schaffen, die Kurve abzuflachen, können wir dafür vielleicht Weihnachten mit unseren Liebsten feiern. Und das ist doch mal ein guter Anreiz.
Und glaubt mir, auch die Zeit Zuhause könnt ihr euch schön gestalten. Wie wäre es mal wieder mit einem Buch? Ich finde aktuell gehört Lesen zu einer der besten Beschäftigungen überhaupt. So könnt ihr zumindest für einen kurzen Moment in eine andere Welt entfliehen. Lesen ist wie Urlaub für Kopf und Körper zugleich. Daher solltet ihr euch öfter mal eine Auszeit gönnen und in einem Schmöker blättern. Ihr habt bestimmt das ein oder andere Buch im Regal, das schon lange vor sich hin staubt. Und bei dem ihr von Zeit zu Zeit denkt: Ach Mist, das wollte ich eigentlich schon lange mal lesen. Falls nicht oder wenn ihr noch Inspirationen für neue Lektüren sucht, scrollte euch einfach hier durch die Liste. Da sind einige Schmöker dabei, die richtig spannend klingen. Versprochen!
1. Matthias Egersdörfer: „Vorstadtprinz“
Ich möchte mit einem Buch starten, das man als Nürnberger schon einmal lesen kann. Für alle Egersdörfer Fans ist es natürlich ein muss. Aber auch wenn man bis jetzt noch nicht so viel mit dem Kabarettist anfangen konnte, kann man mal in den Schmöker sneaken. Denn das Buch ist anders wie man den sonst so lauten und cholerischen Egersdörfer kennt. Es ist deutlich leiser und warmherziger und natürlich unheimlich komisch.
In „Vorstadtprinz“ beschreibt der Kabarettist die Abenteuer seine Kindheit und Jungend in Lauf an der Pegnitz. Und auch wenn für manche Menschen die Geburt dann auch schon das spektakulärste Ereignis im Leben ist. Nicht so für Matthias. In seiner Phantsie verwandelt er seine Existenz in eine Abfolge von schönen, surrealen und aufregenden Sensationen. Ob die Kochkünste seiner Mutter, Metzgereibesuche oder später Katharina, die ein Lachen wie Limonade hat: Der kleine Matthias muss so einiges erdulden. Und das ist existenziell, originell und sehr komisch!
Matthias Egersdörfer „Vorstadtprinz“ | 320 Seiten | Mehr Infos auf Amazon
2. Fang Fang: „Wuhan Diary“
Gefühlt die ganze Welt kämpft gerade mit der 2. Welle. Außer China. Und das obwohl in China alles begann und das Land in der 1. Welle nicht gerade glimpflich davongekommen ist. Aber China ist nicht Europa. Wie geht solch ein Land mit der Krise um?
Das Buch „Wuhan Diary“ erzählt vom Leben an dem Ort, an dem alles begann. Wie muss es sich wohl angefühlt haben, Ende Januar in Wuhan gewesen zu sein? In einer Stadt mit 9 Millionen Einwohner*innen. Die vollständig von der Außenwelt abgeriegelt wurden, um die Ausbreitung eines Virus über das noch fast nichts bekannt war, einzudämmen. Die chinesische Schriftstellerin Fang Fang hat während dieser Wochen Tagebuch geführt. Sie schreibt über den Alltag in der Isolation, über die Angst und die Einsamkeit und über das Leid der Erkrankten. Aber auch über Solidarität unter Nachbarn und die Wut der Einwohner über die Vertuschungsmanöver der chinesischen Behörden.
„Wuhan Diary“ ist ein Stück Zeitgeschichte und ein Buch, das einen nicht mehr loslässt.
Fang Fang „Wuhan Diary“ | 352 Seiten | Mehr Infos auf Amazon
3. Marc-Uwe Kling: „Qualityland“
Wer bei den Känguru-Chroniken von Marc-Uwe Kling herzhaft lachen musste, der wird auch seinen Roman „QualityLand“ lieben. Der Roman spielt in Deutschland, das aus PR-Gründen in Qualityland umbenannt wurde. Hier ist die Digitalisierung bereits so weit vorangeschritten, dass selber denken komplett überflüssig geworden ist. Die neusten Schuhe oder der richtige Partner – es gibt nichts, was nicht mit Hilfe eines Algorithmus per Drohne vor die eigene Haustür geliefert werden kann. Aber ist wirklich alles perfekt optimiert? Oder drehen die Menschen langsam komplett durch? Marc-Uwe Kling ist wohl der einzige Mensch auf der Welt, der eine Dystopie von einem düsteren Überwachungsstaat schreibt und uns trotzdem zum Lachen bringt. Es geht um Drohnen mit Flugangst, fälschlicherweise gelieferte Delfinvibratoren und Staubsauger mit Messie-Syndrom. Trotzdem muss man manchmal kurz schlucken, wenn man realisiert, dass die beschriebenen Technologien zum Teil schon existieren. Die Zukunftsvorstellung wir dadurch erschreckend realistisch. Das Buch ist verblüffend, lustig, aber auch mit einer ordentlichen Prise Gesellschaftskritik gewürzt.
Marc-Uwe-Kling „Qualityland“ | 384 Seiten | Mehr Infos auf Amazon
4. John Ironmonger: „Der Wal und das Ende der Welt“
Die 370 Bewohner des idyllischen Fischerdorfs St. Piran führen ein beschauliches Leben. Dieses endet abrupt, als plötzlich zwei äußerst ungewöhnliche Ereignisse gemeinsam eintreten. Ein junger Mann aus der Großstadt wird angespült, dann strandet ein Wal. Und als wäre das nicht genug, droht auch noch eine globale Katastrophe. Der Auto John Ironmonger erzählt eine Geschichte über Zusammenhalt und die Welt in der Krise. Auch wenn das Buch bereits 2015 erschienen ist, gewinnt die Erzählung zwischen Bedrohung und Hoffnung einer ganzen Zivilisation gerade noch einmal ungeahnt an Aktualität. Am Schluss gibt es – Vorsicht Spoiler – ein Happy End, das unsere Seele wärmt und uns in der aktuellen Zeit allen gerade recht kommt. Das Buch ist eine skurrile, spannende und faszinierende Geschichte, die zum nachdenken anregt.
John Ironmonger „Das Wal und das Ende der Welt“ | 480 Seiten | Mehr Infos auf Amazon
5. Laetitia Colombani: „Der Zopf“
Das Buch wollte ich eigentlich erst nicht lesen. Ich dachte mir „noch so ein 0815 Frauenroman: muss nicht sein. Da mir das Buch jedoch immer wieder vehement empfohlen wurde, habe ich es doch gelesen. Und ich war begeistert, denn das Buch kann so viel mehr. Es erzählt die Geschichte von drei Frauen, deren Leben nicht unterschiedlicher sein könnte. Dalita lebt als Unberührbare in Indien und wünscht sich für ihre Tochter ein besseres Leben. Die junge Sizilianerin Guilia versucht das Perückenunternehmen ihres Vaters zu retten. Und toughe Businessfrau Sarah kämpft um ihre Karriere und gegen Krebs. Die Geschichten finden unabhängig voneinander statt, verweben sich jedoch zum Ende hin ganz sachte, ohne sich direkt zu treffen. Dieses Buch endet viel zu früh, aber dennoch ist alles was erzählt werden muss, erzählt. Denn es endet mit viel Hoffnung und großen Möglichkeiten.
Laetitia Colombani „Der Zopf“ | 266 Seiten | Mehr Infos auf Amazon
6. Sibylle Berg: „Nerds retten die Welt“
Das Buch von Sibylle Berg ist wie ein Lichtschweif Hoffnung am dunklen Horizont und daher perfekt für die Corona Krise. Die Autorin hat sich für das Buch mit unzähligen Menschen die 1.000 Mal klüger sind als wir über die Probleme unserer Welt unterhalten. Und über mögliche Lösungen. Was tun gegen die Gletscherschmelzung? Oder gegen den aufkommenden Faschismus? In „Nerds retten die Welt“ können wir jetzt diese spannenden Gespräche in Form von Interviews verfolgen. Dabei hat Sybille mit den schlauen Nerds Utopien für Meeresökologie, Neuropsychologie, Systembiologie und vieles mehr gesponnen. Das perfekte Buch für alle, die für die Zukunft gewappnet sein wollen und beim nächsten (virtuellen) Stammtisch Eindruck schinden wollen.
Sibylle Berg „Nerds retten die Welt“ | 300 Seiten | Mehr Infos auf Amazon
7. Khaled Hosseini: „Drachenläufer“
Drachenläufer ist ein echter Klassiker. Aber an die Handlung kann ich mich immer noch ganz genau erinnern, obwohl ich das Buch vor bestimmt 10 Jahren gelesen habe. So krass hat es mich anscheinend gepackt, wenn es mir immer noch so klar im Kopf herumgeistert.
Die Geschichte beginnt in Afghanistan im Jahr 1975. Amir und Hassan sind beste Freunde und wollen gemeinsam an einem Wettbewerb zum Drachensteigen teilnehmen. Auch wenn sie gewinnen, geht ihre Freundschaft danach einen tragischen Weg. Amir muss Afghanistan verlassen und kehrt erst viele Jahre später zurück. Er macht sich auf die Suche nach seinem Freund, erkennt jedoch seine Heimat nicht wieder. Alles hat sich verändert. Das Buch zeigt viel Schönheit und eine tiefe Freundschaft in einem Land, das wir nur mit Krieg und Verwüstung in Verbinden bringen. Doch bevor Amir flieht, war Afghanistan ein komplett anderer Ort. Der Roman war ein weltweiter Erfolg. Wer keine Lust zum Lesen hat, kann sich auch das Hörbuch oder den Film anschauen. Den Film kenn ich allerdings nicht und hab daher keine Ahnung ob er gut ist.
Khaled Hosseini „Drachenläufer“ | 376 Seiten | Mehr Infos auf Amazon
8. Joshua Groß: „Flexen in Miami“
Mit „Flexen in Miami“ habe ich noch einen Autor aus Franken in meine Empfehlungen aufgenommen. In dem Roman findet sich Joshua in Miami in einem Appartement wieder, wo die Temperatur automatisch geregelt wird und das Essen per Drohne gebracht wird. Sein einziger Gesprächspartner ist der Kühlschrank. Zur Abwechslung zockt er Computerspiele. Als bei einem Basketballspiel eine Frau in sein Leben tritt, ändert sich plötzlich alles. Zusammen reisen sie nach Nassau und er erfährt, dass seine Freundin schwanger ist. Ob von ihm, bleibt jedoch offen. Diese Geschichte fragt auf vielen Ebenen wie wir einander begegnen können: Als Avatare oder Menschen, im Leben oder in der Cloud? Es geht um Glitches, Traps, Einkerbungen und die vielen kleinen Unsicherheiten der Realität, die unsere Gegenwart darstellt. Auch dieses kürzlich erschienene Buch passt perfekt in unsere Zeit
Joshua Groß „Flexen in Miami“ | 199 Seiten | Mehr Infos auf Amazon
9. Ocean Vuong: „Auf Erden sind wir kurz grandios“
Das letzte Buch das ich gelesen habe war der Debütroman von Ocean Voung „Auf Erden sind wir kurz grandios“. Er erzählt von seinem Leben in Amerika als Kind vietnamesischer Einwanderer. Von seiner Jugend als Homosexueller, seiner prügelnden Mutter und von seiner Kreativität. Die Geschicht ist manchmal unheimlich schön, manchmal einfach nur heftig, aber immer wunderbar geschrieben. In den schönen Worten des Autors kann man sich verlieren. Hier prallen Zartheit und Gewalt in grandioser Symbiose aufeinander. Und wenn man das Buch zur Seite legt, kommen einem die eigenen Probleme mit Corona und Co. Auf einmal ziemlich unwichtig und klein vor.
Ocean Vuong „Auf Erden sind wir kurz grandios | 240 Seiten | Mehr Infos auf Amazon
10. Candice Carty-Williams: „Queenie“
Der Roman „Queenie“ erschien erst vor kurzem auf Deutsch und erzählt die Geschichte der jungen POC Queenie, die besonders gut darin in, sich Ärger einzuhandeln. Anstatt bei der Zeitung, wo sie angestellt ist, über für sie wichtige Themen wie Feminismus, Black Lives Matter oder Mental Health zu schreiben, vertrödelt sie ihre Zeit lieber mit ihrem Boyfriend. Dass der kein besonders toller Typ ist, ist jedem außer Queenie sofort klar. Er hält mehr zu seinem rassistischen Onkel als zu ihr. Doch als die Beziehung dann endlich endet, droht gleich die nächste Katastrophe: die Dating-Hölle. Während sie zwischen Journalismus der sie nicht erfüllt und einer Dating-Pleite nach der nächsten pendelt, fängt sie an über sich selbst nachzudenken. Sie fängt an sich die wichtigen Fragen des Lebens zu stellen: Wie kann ich die Welt ein bisschen besser machen? Wie kann ich in ihr glücklich werden? Der jungen Autorin ist eine lustige, herzzerreißende und tiefgründige Geschichte gelungen, die mehr am Zahn der Zeit nicht sein könnte. Nicht umsonst gewann Candice Caty-Williams letztes Jahr mit „Queenie“ den British Book Award und war auf der Sunday Times Bestseller Liste.
Candice Caty-Williams „Queenie“ | 544 Seiten | Mehr Infos auf Amazon
11. Mercedes Spannagel: „Das Palais muss brennen“
Noch eine junge Autorin, die mit gerade mal 25 Jahren mit ihrem Debütroman für Aufruhr in der Literaturszene gesorgt hat. Der polemische Titel „Der Palais muss brennen“ zeigt, dass das hier kein Feel-Good-Roman ist. Mercedes schreibt von einer rechten Elite, die von ihren eigenen Nachkommen zum Fall gebracht wird. Die Protagonistin Luise ist die Tochter der rechtskonservativen Bundespräsidentin Österreichs. Sie versucht ihrer Mutter so viel Steine und Ärgernisse wie nur möglich in den Weg zu legen. Sie kauft sich einen Mops namens Marx, tapeziert das Teezimmer mit Zeitungsartikel, die die Verbrechen der chinesischen Regierung aufdecken und versenkt die Jagdwaffen im Pool. Zusammen mit ihren Freund*innen zieht sie durch Wien. Dabei schmieden sie Pläne, wie sie die rechte Regierung stürzen können. Mit tiefschwarzen Wortwitzen und voller Abgründe ist hier ein sehr lesenswerter und hochaktueller Roman des Widerstandes entstanden.
Mercedes Spannagel „Das Palais muss brennen“ | 192 Seiten | Mehr Infos auf Amazon
Welches Buch könnt ihr aktuell empfehlen? Hinterlasst mir gerne einen Kommentar. Ich bin immer dankbar für gute, neue Buchtipps!
Dieser Text enthält Affiliate Links
Ihr könnt mich durch den Kauf über die Links finanziell unterstützen
Für euch entstehen dadurch keine zusätzlichen Kosten